Gott kommt auf die Erde – und was macht der Mensch? Genau, er verklagt ihn! “Gott höchstselbst” lässt uns an diesem Gerichtsprozess teilnehmen und beschreibt, wie es dazu kam. Dabei befasst sich dieses Comic mit philosophisch höchst komplexen Themen und bedient sich einer Rhetorik, die wirklich jedes Quäntchen Aufmerksamkeit verlangt. Ob einem Comic solch intellektueller Couleur überhaupt die Befähigung inhärent ist, dem Lektoren Plaisir zu bereiten, expliziert euch der Captain!
Deutscher Titel: Gott höchstselbst
Verlag Original: Guy Delcourt Productions
Verlag Deutschland: Reprodukt
Format: Softcover
Sprache: Deutsch
Erscheinungsdatum: 09.09.2009
Autor(en): Marc-Antoine Mathieu
Zeichner: Marc-Antoine Mathieu
Seiten: 128
Preis: 20,00 €
Bezug: Reprodukt
Des Comix Handlung:
Gott ist Mensch geworden. Nach anfänglichen Zweifeln an seiner Wahrhaftigkeit wird der unscheinbare Mann über Nacht zum Medienhype, von Wissenschaftlern und Philosophen gnadenlos vermessen. Doch die Ankunft Gottes auf Erden hat vor allem einen Effekt: Gott wird zum universellen Sündenbock, der für das Unglück in der Welt verantwortlich gemacht wird. Schon bald findet sich der Allmächtige auf der Anklagebank wieder, und ein spektakulärer Gerichtsprozess soll die Frage der Fragen klären: Gibt es einen Gott?
– Inhaltsangabe gemäß Reprodukt
Des Captains Eindruck:
OH MEIN GOTT! Was habe ich da nur gelesen? Dieses Comic ist purer philosophischer Diskurs und verarbeitet eindrucksvoll die Grundfesten der Ontologie und der Theodizee. Sowohl terminologisch als auch thematisch ist der Leser hier kontinuierlich gefordert, um auch nur ansatzweise die Chance zu haben, alles zu verstehen. In Teilen des Comics ist es beispielsweise notwendig, die Grundlagen der Quantenmechanik zu verstehen, um Gottes dargebotene “Wunder” nachvollziehen zu können. Das mag zwar auf den ersten Blick abschreckend klingen, doch dieses Comic will keine leichte Unterhaltung bieten. “Gott höchstselbst” hat sich zur Aufgabe gemacht, den Leser dazu anzuregen, sich mit den beiden größten aller existenziellen Fragen auseinanderzusetzen: “Gibt es Gott? Und was, wenn ja?”
Der Erzählstil hierbei gleicht einer Dokumentation, bei der Augenzeugen und ehemalige Gefährten ihre Erlebnisse mit Gott schildern. Zwischen diesen diversen Exkursionen in die Vergangenheit finden wir uns stets im Gerichtssaal wieder, in dem die zuvor Berichtenden ihre Aussagen machen, um die Frage zu klären, ob Gott schuld am individuellen Leid der Menschen ist, oder besser gesagt: Ob der Mensch ihn dafür zur Verantwortung ziehen kann. Dazu muss jedoch erst einmal geklärt werden, wer oder was Gott ist, ob er aktiv in das Leben eingreift oder nur ein stiller Beobachter ist, der den ersten Anstoß in einem sonst absolut reaktionären Universum gab und anschließend ruhte. Dabei verstricken sich die beisitzenden Experten, je nach deren Fachgebiet, in beeindruckend tiefgründige Argumentationen, deren Verständnis auch des Lesers volle Aufmerksamkeit bedarf. Eines der Highlights ist auch die Auflösung des Ganzen am Ende. Denn auch hier gelingt Marc-Antoine Mathieu ein Geniestreich, der es jedem Leser selbst überlässt, wie er das Ganze einordnet. Klar ist jedoch, dass dieses Comic sowohl etwas für gläubige Menschen, als auch für Agnostiker und Atheisten ist, da hier – wie auch im wahren Leben – immer die Frage im Mittelpunkt steht. Deren Antwort wiederum für jeden anders ausfällt. Ein netter Aspekt dahingehend ist auch die Tatsache, dass man Gottes Gesicht nie zu sehen bekommt. Optisch verhält es sich auch bei “Gott höchstselbst” wie bei seinem Verlagskollegen “Blast“: Schlichte Zeichnungen, die perfekt zur Geschichte passen. Keine Farben, kein Schnickschnack, hier steht der Anspruch im Mittelpunkt!
Des Captains Fazit:
“Gott höchstselbst” zeigt eindrucksvoll den verzweifelten Versuch einer narzisstischen Spezies, die größten Fragen überhaupt klären zu wollen, ohne sich dabei einzugestehen, dass deren Beantwortung fern ihrer Befähigung liegen könnte, und karikiert so eine der wenigen und gleichsam die größte aller Konstanten der Menschheitsgeschichte.